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IFiF-Impulse: Gibt es einen Gender Citation Gap?

Prof. Dr. Ingo Rohlfing, Universität Passau, teilte Erkenntnisse aus dem IFiF-Projekt Gender Citation Gap zur Zitations- und Publikationshäufigkeit von Männern und Frauen in der Politikwissenschaft.

Vor genau einem Monat startete die Online-Vortragsreihe „Exzellent und trotzdem unsichtbar?! – Wege zu mehr Sichtbarkeit für Frauen in Wissenschaft und Innovation“ (IFiF-Impulse) in das Sommersemester 2024. In der Reihe berichten Projekte aus der Förderrichtlinie „Innovative Frauen im Fokus” von ihrer Forschung rund um das Thema Sichtbarkeit innovativer Frauen.

Am 23. Mai 2024 fand der zweite Vortrag der Online-Vortragsreihe in diesem Semester statt. Prof. Dr. Ingo Rohlfing von der Universität Passau stellte in seinem Online-Vortrag „Gibt es einen Gender Citation Gap in der Politikwissenschaft und wenn ja, was sind die Ursachen?“ die Forschungsergebnisse aus dem IFiF-Projekt „Gender Citation Gap“ zur Zitations- und Publikationshäufigkeit von Männern und Frauen in der Politikwissenschaft vor.

Zitationen in wissenschaftlichen Disziplinen von großer Bedeutung

Prof. Dr. Rohlfing betonte, dass Zitationen von Zeitschriftenartikeln in wissenschaftlichen Disziplinen von großer Bedeutung sind. Eine höhere Anzahl von Zitationen wird oft gleichgesetzt mit mehr Aufmerksamkeit für eine Veröffentlichung, mehr „impact" und höherer Arbeitsqualität. Somit sind sie wichtig für die wissenschaftliche Karriere und öffentliche Wahrnehmung einer Person. Forschungsergebnisse aus verschiedenen Fachdisziplinen zeigen, dass die Publikationen von Männern häufiger zitiert werden als die Publikationen von Frauen, was als „gender citation gap" bezeichnet wird. Die Zitationshäufigkeit unterscheidet sich danach, ob es sich um Alleinautor*innenschaften handelt oder um ein Autor*innen-Team, denn Letztere werden häufiger zitiert als Alleinautor*innen.  

Herausforderungen bei der Forschung

Zu Beginn erläuterte Prof. Dr. Rohlfing die Schwierigkeiten, den Gender Citation Gap quantitativ zu untersuchen, die u.a. durch die Abtretung von Urheberrechten an Verlage, fehlende Vornamen in Zitationslisten und den eingeschränkten Zugang zu wissenschaftlichen Zeitschriften im Abo-Modell bedingt sind. Erst im Laufe des Projekts konnte mit der KI OpenAlex die Analyse auf eine breitere Basis gestellt werden, die mittlerweile ca. 145.000 Artikel umfasst. Ein eindeutiger Gender Citation Gap in der internationalen Politikwissenschaft kann auf Grundlage der ausgewerteten Daten bislang nicht festgestellt werden. Ja nachdem, welcher Teil der Verteilung der Zitationshäufigkeiten betrachtet wird, zeigt sich, dass es in der Spitze der Verteilung deutlich mehr Zitationen von männlichen Autoren gibt, während bei mittlerer Zitationshäufigkeit eher die Artikel überwiegen, die von Frauen geschrieben wurden.

Mögliche Ursachen für einen Gender Citation Gap soweit er feststellbar ist

Diesbezüglich merkte Prof. Dr. Rohlfing an, dass weitere Forschung, insbesondere in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen, notwendig sei und stellte anschließend mögliche Ursachen für einen Gender Citation Gap vor, die als Grundlage für differenzierte Analysen relevant sind:

  • Netzwerkbildung (Homophilie) mit dem eigenen Geschlecht: Männer zitieren häufiger Männer, Frauen häufiger Frauen
  • Trägheit im Zitationsverhalten: Matthäus-Effekt – was bereits häufig zitiert wurde, muss jetzt auch von mir zitiert werden. Unter diesen am häufigsten zitierten Artikeln, sind die von Männern publizierten deutlich in der Überzahl.
  • Karriere- und Rekrutierungseffekte: Da nach wie vor mehr Männer an „Prestige-Instituten“ arbeiten, werden diese auch häufiger zitiert.
  • Unterschiede im Einreichverhalten: Frauen sind zögerlicher beim Einreichen bei Top-Zeitschriften. Da hier aber die Sichtbarkeit höher ist, kann sich dies auf die Zitationen auswirken.
  • Mehr Selbstzitationen von Männern
  • Anteil der Geschlechter in einer Teildisziplin

Was sind Gründe für das Fehlen eines Gender Citation Gap?

Prof. Dr. Rohlfing stellte hierzu zwei zentrale Thesen vor. Die Kausalanalyse dieser Gründe ist jedoch sehr schwierig: 

  • Die Ungleichheit entsteht bereits vor den Zitationen, da Frauen weniger publizieren als Männer. Das wiederum liegt daran, dass sie weniger Zeit für Publikationen haben und mehr in der Lehre tätig sind.
  • Forscherinnen erfüllen höhere Publikationsstandards, das bedeutet, dass Frauen ihrer Leistung entsprechend zu wenig zitiert werden.  

Prof. Dr. Rohlfing kam am Ende seines Online-Vortrags zu dem Fazit, den Gender Citation Gap insgesamt differenzierter zu betrachten und verwies dabei auf die besondere Bedeutung der Verlage, die über geschlechterdifferenzierte Statistiken verfügen und diese Daten zur Verfügung stellen sollten. Zum Abschluss hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit Fragen zu stellen. Das IFiF-Projekt „Gender Citation Gap“ ist an der Universität Passau angesiedelt und befindet sich momentan in der Abschlussphase.

Der Vortrag wurde aufgezeichnet und steht Ihnen hier zur Verfügung.