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Leaky Pipeline in der Kommunikationswissenschaft

Diversity-X

Gibt es eine Leaky Pipeline in der Kommunikationswissenschaft? Und wenn ja, wie können wir das ändern? Um dieses Thema ging es im IFiF-Impulse-Vortrag von Dr. Maike Braun.

Dr. Maike Braun präsentierte in ihrem Vortrag aktuelle Daten zum Status quo der Repräsentation von Frauen in der Kommunikationswissenschaft und stellte ein Tool zur Messung der Gender-Diversität von Zitationen vor.

Der IFiF-Impulse Online-Vortrag wurde aufgezeichnet, hier geht es direkt zur Aufzeichnung

Wissenschaft sollte die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegeln, aber in vielen Fächern sind Frauen z. B. bei den Professuren unterrepräsentiert und werden seltener zitiert. Das IFiF-Projekt Diversity-X hat sich mit dieser Thematik im Fachbereich Kommunikationswissenschaft beschäftigt und ein Tool entwickelt, das die Gender-Diversität von Zitationen anhand des Literaturverzeichnisses einer Arbeit misst.

Am Anfang ihres Vortrags betonte Maike Braun, wie wichtig Diversität in der Wissenschaft ist, um die Gesellschaft als Ganzes zu verstehen und wichtige Fragen angehen zu können. Anschließend stellte sie aktuelle Daten zum Status quo der Repräsentation von Frauen in der Kommunikations- und Medienwissenschaft vor. Die Daten beschreiben den Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt, in wissenschaftliche Vereinigungen, auf Konferenzen, bei der Vergabe von Preisen, bei Publikationen und Zitationen sowie im Bereich der sozialen Medien.

Das Geschlechterverhältnis im Arbeitsmarkt

Die Leaky Pipeline in der Kommunikationswissenschaft wird besonders an den Zahlen zu Studierenden, Promovierenden, Postdocs und Professuren deutlich: Sind 2023 72 Prozent der Studierenden in der Kommunikationswissenschaft Frauen, so nimmt dies Zahl mit jeder Karrierestufe kontinuierlich ab. Bei den Promovierenden liegt der Frauenanteil bei immerhin noch 67 Prozent, bei den Postdocs dann nur noch bei 52 Prozent und bei den Professuren bei nur noch 43 Prozent. Besonders niedrig ist der Frauenanteil mit 38 Prozent bei den Juniorprofessuren.

Wissenschaftliche Konferenzen und Vergabe von Preisen

 Bei den Konferenzen der ICA (International Communication Association) ist die Zahl der Autorinnen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Sie steigt von 49 Prozent im Jahr 2005 auf 59 Prozent im Jahr 2022. Insgesamt ist eine Steigerung des Frauenanteils um 4 Prozent alle 10 Jahre zu verzeichnen.

Anders sieht es bei der Vergabe von Preisen aus. Hier kann konstatiert werden, dass je höher das Prestige eines Preises ist, desto geringer ist der Frauenanteil. So liegt der Frauenanteil bei den Preisen der DGPUK (Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft) für die beste Nachwuchs-Tagungseinreichung noch deutlich über 50 Prozent, sinkt dann aber kontinuierlich und liegt bei den prestigeträchtigsten Theoriepreisen bei nur noch 25 Prozent.  

Die Gender-Zitationslücke: Insgesamt werden männliche Wissenschaftler mehr zitiert als Wissenschaftlerinnen. Diese Lücke ist in den Sozialwissenschaften am größten. (Roberge, 2024)

Publikationen und Zitationen

Im Projekt Diversity-X wurden auch 90 kommunikationswissenschaftliche Zeitschriften im Hinblick auf den Frauenanteil bei den Autorinnen untersucht. Dabei zeigte sich, dass mittlerweile mehr weibliche (52 Prozent) als männliche Autor*innen (48 Prozent) in diesen Zeitschriften publizieren.

Demgegenüber zeigt sich bei den Zitationen nach wie vor ein deutlicher Gender Gap. Die Analyse derselben Zeitschriften von 2000 bis 2022 ergab, dass mehr männliche (61 Prozent) als weibliche (39 Prozent) Autor*innen zitiert werden. Besonders auffällig ist, dass Frauen in der Kommunikationselite stark unterzitiert sind. Die Zahlen verdeutlichen zudem, dass in den Fachbereichen mit besonders hohem Frauenanteil, wie den Sozialwissenschaften, der Zitations-Gap am größten ist.

Es gibt keinen Mangel an Kommunikationswissenschaftlerinnen, aber ihre Wahrnehmung bleibt problematisch.
Dr. Maike Braun

Social Media Präsenz

Im Hinblick auf die Präsenz in den sozialen Medien hat das Projekt herausgefunden, dass weibliche Wissenschaftlerinnen Social Media (Twitter) ähnlich aktiv wie Männer nutzen und mehr Interaktionen (Likes, Retweets) erhalten. Jedoch beeinflusst die Social-Media-Präsenz nur die Zitationsraten männlicher Autoren signifikant – bei Frauen hat diese keinen Einfluss.

Lösungsansätze

Auf die Frage, was getan werden kann, um die Wahrnehmung von Wissenschaftlerinnen zu erhöhen, wurden im Projekt folgende Lösungsansätze erarbeitet:

  • Inklusives Umfeld schaffen (z.B. Kinderbetreuung bei Konferenzen, Unterstützung für Care-Arbeit, intersektionale Diversität)
  • Anerkennung erhöhen (z.B. Quoten für Dauerstellen und Leitungspositionen, Vergabe von Preisen unter Betrachtung des gesamten Felds und seiner Diversität)
  • Transparenz stärken (z.B. Veröffentlichung der Geschlechterverhältnisse unter Studierenden und wissenschaftlichem Personal, Veröffentlichung von Geschlechterverhältnissen bei Publikationen, Einreichungen und Fachgesellschaften)

Das Diversitätstool Diversity-X

Im Anschluss stellte Maike Braun das im Projekt entwickelte Tool „Diversity X“ vor. Dabei handelt es sich um ein Tool zur Analyse der Geschlechter- und Nationaldiversität in Zitierungen, das Wissenschaftler*innen dabei unterstützt, Zitationslücken zu erkennen und zu schließen. Das Tool funktioniert fächerübergreifend und kann so auch außerhalb der Kommunikationswissenschaften verwendet werden.

Zur Prüfung muss lediglich ein pdf des zu untersuchenden Literaturverzeichnisses hochgeladen werden. Wichtig ist, dass das Tool nur mit Quellen funktioniert, deren DOI-Nummer angegeben ist. Das Tool extrahiert dann zunächst die Digital Object Identifier (DOI) der zitierten Quellen in einer PDF-Datei. Anhand dieser werden mit openalex.org Informationen zu den Autor*innen des Artikels (vollständiger Name und aktuelle institutionelle Zugehörigkeit) abgerufen. Die Namen werden mit einer Datenbank, die 58.121 Namen-Geschlechtszuordnungen beinhaltet, abgeglichen, um das Geschlecht der Autor*innen zu ermitteln. Das Dashboard gibt dann Information zur:

  • Geschlechterdiversität der zitierten Autor*innen → Bericht des Anteils weiblicher Autorinnen und der Geschlechterhomogenität von zitierten Autor*innenteams.
  • Nationalen Diversität der zitierten Autor*innen → Anteil der Autor*innen mit US-amerikanischer Arbeitsstätte und Anzahl der Autor*innen aus den 5 häufigsten Herkunftsländern.  
  • Aktualität der zitierten Literatur → Anteil der Referenzen aus den letzten 5 Jahren und der Verteilung der Publikationsdaten der Referenzen über die Jahrzehnte hinweg.

In einer Autor*innenliste können zudem Informationen zu allen Autor*innen, ihrem Geschlecht und der Nationalität ihrer Institution eingesehen werden. 

Testen Sie das Tool unter: www.diversity-x.de