RWTH Aachen setzt auf exzellente Frauen in Forschung und Lehre
Mit der Kampagne "Not A Token Woman" thematisiert die RWTH Aachen die Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft und ermutigt Frauen, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben.
Die Initiative fordert echte Geschlechtergerechtigkeit statt symbolischer Repräsentation. Ziel ist es, den kulturellen Wandel zu forcieren und eine gerechtere sowie vielfältigere Forschung zu fördern, von der alle gleichermaßen profitieren.
22,9 Prozent der Professuren an der Exzellenz-Universität RWTH Aachen sind mit einer Frau besetzt. Auch bei den Studierenden und Promovierenden sind Frauen, je nach Disziplin, in der Minderheit. Professorin Verena Nitsch ist Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen, das zur Fakultät für Maschinenwesen zählt. Sie kennt diesen Umstand nur zu gut: „Wir brauchen einen Kulturwandel.“ Sie wolle sich nicht damit abfinden, beispielsweise in Meetings als Quotenfrau in den Ingenieurwissenschaften wahrgenommen zu werden. Deswegen ist sie Teil der neuen RWTH-Kampagne „Not A Token Woman“.
Kampagne mit klarer Botschaft
„Change now to change tomorrow“ lautet der Claim dieser neuen Kampagne an einer der führenden technischen Universitäten Europas. Die Initiative, ins Leben gerufen und getragen von den engagierten Frauen der Hochschule, richtet sich gegen die tief verwurzelten Vorurteile und Denkmuster gegenüber Frauen in der Wissenschaft. Provokant und bewusst aufrüttelnd, benennt die Kampagne diese Hürden. Vorurteile sollen widerlegt werden, um so mehr Frauen den Weg in die Wissenschaften zu ermöglichen. „Wir arbeiten aktiv daran, dass es in Zukunft besser wird“, betont Professorin Sabine Brück, Prorektorin für Personal und Schirmherrin der Kampagne. Ihr Appell unterstreicht die Dringlichkeit und die Notwendigkeit eines kulturellen Wandels.
Der Begriff „Token Woman“ steht für eine Praxis, in der lediglich symbolische Anstrengungen unternommen werden, um Mitglieder einer bestimmten Gruppe, hier Frauen in der Wissenschaft, zu unterstützen, obwohl ihnen wirkliche Gleichberechtigung vorenthalten wird. Die Wissenschaftlerinnen, die die Kampagne „Not A Token Woman“ vorstellt, stehen nicht für diese Praxis, sondern für herausragende Leistungen von Frauen in der Wissenschaft und für glaubwürdige wie auch effektive Anstrengungen, neben exzellenter Forschung Chancengerechtigkeit und Gleichstellung weiter voranzubringen.
Pain Points vor allem in technisch geprägten Fachrichtungen
Im Zuge der Analyse des IST-Zustands wurden unter anderem Gespräche mit Wissenschaftlerinnen verschiedenster Karriere stufen – von der Studentin bis zur Professorin – geführt. Diese unterstreichen einige der Herausforderungen von Frauen in der Wissenschaft:
- Absprechen von Kompetenzen: Frauen wird oft unterstellt, nicht kompetent (genug) zu sein.
- Quotenfrau: Frauen werden als „Quotenfrauen“ abgestempelt, d. h. Frauen wird vorgeworfen nur aufgrund bestimmter Zielvorgaben z. B. einer Frauenquote eine bestimmte (Führungs-) Position zu besetzen, unabhängig von ihren tatsächlichen Fähigkeiten.
- Aussehen: Es wird unterstellt, dass Frauen aufgrund ihres Aussehens und nicht ihrer Fähigkeiten eingestellt wurden oder Karriere machen.
- Mutterschaft: Vorurteile und Benachteiligungen aufgrund von Mutterschaft sind weit verbreitet.
- Männerdomänen: Exklusive Netzwerke und Räume, die Frauen ausschließen und männliche Kollegen bevorzugen, sind immer noch ein Problem.
- Frauensache: Gleichstellungsthemen werden häufig kleingeredet und die Lösungsfindung Frauen zugeschrieben.
Die Kampagne greift diese Herausforderungen gegenüber Frauen in der Wissenschaft gezielt auf, will Diskussionen anregen, Vorurteile durchbrechen und auf Unterstützungs- und Beratungsangebote hinweisen. Selbstbewusste Wissenschaftlerinnen werden auf großformatigen Plakaten in deutschen Großstädten und in Social- Media-Beiträgen porträtiert. Sie stehen für alle Frauen in der Wissenschaft, die insgesamt mehr Sichtbarkeit verdient haben.
„Wir sind eine moderne, offene und einladende Universität, die die Karrieren unserer Wissenschaftlerinnen aktiv unterstützt und fördert“, sagt Sabine Brück. „Gemeinsam möchten wir den kulturellen Wandel forcieren und Frauen ermutigen, sich für eine Karriere insbesondere im MINT-Bereich zu entscheiden. Dazu gehört auch, sich unbequemen Fragen zu stellen: Was können wir tun, wenn Frauen in der Wissenschaft benachteiligt sind? Woran können wir als Universität noch arbeiten, um Geschlechtergerechtigkeit weiter voranzutreiben und patriarchale Strukturen aufzubrechen?“
Status quo, Ziele und Erfolge
Trotz eines kontinuierlichen Anstiegs der Anzahl weiblicher Professorinnen an der RWTH Aachen in den vergangenen zehn Jahren will die RWTH mehr erreichen. Deshalb hat sie sich das Ziel gesetzt, den Anteil der Professorinnen bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen. Bei den Juniorprofessuren wird bereits jede zweite Stelle mit einer herausragenden jungen Wissenschaftlerin besetzt. Dies dokumentiert, dass Veränderung gewollt und möglich ist.
Damit Wandel gelingen kann, sind strukturelle Veränderungen und eine Wissenschaftskultur nötig, die Frauen ermutigt, eine wissenschaftliche Karriere zu verfolgen. Junge Frauen müssen hierfür frühzeitig für eine Karriere in der Wissenschaft begeistert werden. Gerade in den naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen beginnt das Dilemma bereits bei der Studienwahl.
Fördermaßnahmen und Unterstützung
Die RWTH hat dazu zahlreiche Fördermaßnahmen entwickelt, die Frauen in der Wissenschaft unterstützen. Dazu gehören Mentoringprogramme, Coachings, Beratungen, Unterstützung von Wissenschaftlerinnen-Netzwerken und konkrete Alltagshilfen wie Betreuungsplätze für Kinder, Eltern-Kind-Gruppen und Betreuungsangebote während Veranstaltungen. Diese ganzheitlichen Angebote entlasten Wissenschaftlerinnen und ihre Familien und machen eine Karriere in der Wissenschaft erst möglich.
Die Kampagne zeigt Frauen verschiedenster Karrierestufen, die auch als Vorbilder dienen. Die Geschichten von jungen Frauen wie Dr. Lena Patterer, Postdoc am Lehrstuhl für nachhaltige Metallurgie von Eisen und Stahl, sind von großer Bedeutung, um die nächste Generation von Wissenschaftlerinnen zu inspirieren. „Vorbilder spielen eine große Rolle, weil sie Möglichkeiten aufzeigen, die man vorher nicht gesehen hat“, bestätigt sie. „Indem die Beteiligung von Frauen vor allem in den MINT-Bereichen aber auch vielen anderen Disziplinen erhöht wird, schaffen wir nicht nur eine gerechtere Gesellschaft, sondern fördern auch Innovation und Exzellenz in der Forschung“, erklärt Sabine Brück. „Nur durch eine geschlechtergerechte Forschung kann sichergestellt werden, dass alle Menschen gleichermaßen in der Gesellschaft profitieren.“
Quelle: Pressemitteilung RWTH Aachen
Weitere Informationen: www.rwth-aachen.de/changejobs