Als Projektleitung des Metavorhabens „Innovative Frauen im Fokus“ (meta-IFiF) hat Christina Rouvray an der BMBF-Tagung am 5. und 6. September 2023 in Berlin teilgenommen. Viele der Vorträge, Panels und Workshops berührten Themen aus der Förderrichtlinie „Innovative Frauen im Fokus“. Beispielsweise ging es um Zitationshäufigkeit, Frauenanteile in (außer-)universitärer Forschung und der Sichtbarkeit der Leistungen innovativer Frauen in der Wissenschaftskommunikation. Einige Eindrücke von der Tagung hat sie mitgebracht:
Die Keynote von Prof. Dr. Jutta Allmendinger bildete den Auftakt zu einer Tagung über verschiedene Aspekte von Vielfalt und Chancengerechtigkeit in Studium und Wissenschaft. Die drei Vielfaltskategorien Gender, Migrationshintergrund sowie Herkunft aus nicht-akademischen Haushalten standen im Zentrum vieler Vorträge und Workshops sowie die Frage, wie diese die Teilhabe und Repräsentation von Menschen mit diesen Merkmalen in Wissenschaft und Forschung beeinflussen.
Allmendinger stellte zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit u.a. folgende Forderungen auf: Drittmittelgeber, einschl. Stiftungen, sollten sich stärker miteinander abstimmen und vergleichbare Rahmenbedingungen für die Forschungsförderung stellen. Denn gerade die Standardisierung von Förderungen auf häufig drei Jahre sei problematisch, zumal sich Forschungsprozesse innerhalb dieser Zeit oft nicht abbilden lassen, insbesondere im Bildungsbereich oder bei der Effektivität von Interventionsstudien. Die Förderlaufzeiten sollten daher verlängert werden, da oftmals vielversprechende Ansätze im Nichts enden, wenn keine Gelder mehr vorhanden sind für die Weiterführung. Auch über längerfristige Förderungen sollte nachgedacht werden, da innovative Ideen nicht immer kurzfristig zum Erfolg führen und trotzdem sinnvolle Maßnahmen darstellen können z.B. in der Interventionsforschung. Schon bei den Auswahlverfahren von geförderten Projekten müsse angesetzt werden, vielleicht auch mehr Risikobereitschaft herrschen, um auch in der Forschung mehr Vielfalt und unterschiedliche Ansätze zu ermöglichen. Das würde zudem dazu führen, dass unter Forschenden selbst mehr Vielfalt herrschte und so die Forschung bereichert würde.
Zur Chancengleichheit im Hinblick auf die unterschiedlichsten benachteiligenden Umstände sei v.a. ein Ansatz in der frühkindlichen und schulischen Bildung erforderlich, damit sich diese Faktoren gar nicht erst negativ auf den Bildungsweg auswirken. Und schließlich, so Allmendinger, sollte der Bereich Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis mehr Bedeutung gewinnen. Denn häufig kämen die Forschungsergebnisse, die entwickelten Maßnahmen nicht bei den Zielgruppen an, weil sie nur einem kleinen Fachpublikum bekannt sind.
Auch Ministerialdirigent Peter Greisler (BMBF) betonte in seiner Ansprache am zweiten Tag die Bedeutung der Interventionsforschung trotz der hohen damit verbundenen Kosten.
Eine so große Tagung mit mehreren hundert Teilnehmenden ist kaum in einer kurzen Rückschau zusammenzufassen. In Erinnerung bleiben jedoch einige der vorgestellten Forschungsergebnisse und O-Töne von Referent*innen und Teilnehmenden der Veranstaltung:
Die aktuell bestehende Benachteiligung und Unterrepräsentation von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen ohne akademischen Hintergrund in der Familie wirken sich nicht nur negativ auf individuelle Bildungsprozesse im Lebensverlauf aus, was die Entfaltung des vollen intellektuellen Potentials verhindert. Darüber hinaus mindert die fehlende Diversität die Vielfalt von Forschungsansätzen in der Wissenschaft, Forschung und Innovation selbst, da so die Bandbreite der möglichen Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen minimiert wird. Diese Lücke in der wissenschaftlichen Exzellenz könnte und sollte – so u.a. Prof. Dr. Londa Schiebinger (Stanford University) in ihrem Vortrag – durch Personen mit einer besonderen Expertise in diesen Bereichen besetzt werden, um diese unnötige Lücke zu schließen. Maßnahmen zur Förderung jedes einzelnen Diversitätsmerkmals erleichtern es Menschen mit Benachteiligungen, diese zu überwinden. Deshalb sollten verschiedene Diversitätskategorien nie gegeneinander ausgespielt, sondern immer zusammen gedacht und adressiert werden.
Die Fülle an wissenschaftlicher Forschung bietet zahlreiche – teils langjährig erprobte – Handlungsansätze und -empfehlungen zum Abbau von Diskriminierung und Benachteiligung, die aber in der Praxis des Wissenschafts- und gesamten Bildungssystems nicht ausreichend Berücksichtigung finden und womöglich auch deshalb nicht zu den gewünschten Veränderungen führen. Diese fehlenden Fortschritte wurden von allen Teilnehmenden der Veranstaltung angeprangert. Denn die Zahlen aus der Forschung zeigen nach wie vor deutlich, dass eine Korrelation zwischen den Diversitätskategorien und der Unterrepräsentation im Wissenschaftssystem besteht. Das heißt, dass es weiterhin Selektionsmechanismen gibt, die noch immer stark wirken und überwunden werden müssen. Alle relevanten Akteur*innen aus Hochschulleitungen, Politik, Forschungsförderung sowie Lehre und Forschung tragen dafür eine Verantwortung.
Denn die Erhöhung der Sichtbarkeit innovativer Frauen und ihrer Leistungen u.a. auch in der Wissenschaft ist ein Ziel der gesamten Förderrichtlinie „Innovative Frauen im Fokus“.
Neu waren viele der Präsentationen und Praxisansätze der Tagung nicht unbedingt; eher konkreter, detaillierter und messbarer als es noch vor einigen Jahrzehnten möglich war. Das macht Hoffnung, auch im Hinblick auf eine – ebenfalls von einigen geforderte – Professionalisierung von Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit. Erfreulich war auch, dass viele Vertreter*innen der relevanten Akteur*innen aus Politik, Hochschule und Forschung präsent waren und große Einigkeit demonstrierten, die Themen ganz oben auf ihre Agenda zu setzen.
Abstracts von allen Vorträgen und teils parallelen Sessions sind hier zu finden.